Leserbrief vom 06.03.19 zu den Auwaldrodungen

Leserbrief von Michaela Schwarz vom 06.03.2019 im Reichenhaller Tagblatt 

zu den Artikeln “Weg frei für die Spundwand” vom 20.02.2019 und “Fällarbeiten an Bundesstraße” vom 28.02.2019

Wir haben hier im Berchtesgadener Land einen Schatz, den wir anscheinend nicht mehr zu schätzen wissen und den wir systematisch ausbeuten und zerstören.

In allen Völkern steht der Baum symbolisch für den organischen Ausdruck der Lebenskraft. So können die massiven Baumrodungen im übertragenen Sinn dafür gesehen werden, dass wir das Leben – und damit auch uns – ausrotten.

Wo ein Volk keine Vision hat, wird es wild und wüst, heißt es in der Bibel. So betrachtet hat unsere Region offensichtlich keine Vision mehr, außer wild drauf los zu roden und zu bauen. Deiche, Straßen, Tunnel?, Fangnetze – alles ohne einen größeren Blick auf und für die Zusammenhänge. Woher kommt die Hochwasserproblematik? Warum haben wir soviel Verkehr auf den Straßen? Wir brauchen Mut, um die Dinge in größeren Zusammenhängen zu sehen. Die scheinbaren Lösungen in kleinen, abgegrenzten “Zuständigkeitsbereichen” (wie z.B. der Deichbau) werden an anderen Stellen wiederum für Probleme sorgen. So wie die Flussbegradigungen der letzten Jahrhunderte uns heute Jahrhunderthochwasser bescheren. Das Leben besteht nicht aus zusammenhanglosen Puzzleteilen, die beliebig zerstört, entfernt oder verschoben werden können. Das Leben (und wir gehören zum Leben dazu) ist wie ein riesiger Organismus. Alles hängt mit allem zusammen. Die Wissenschaftler machen hierzu erstaunliche Entdeckungen und begreifen zusehends die Vernetzung des Lebens. Die Frage ist, wann wir Menschen unser Handeln nach diesem Wissen ausrichten? Es zeugt von einer großen Portion Ignoranz, wenn wir weiterhin so tun, als müssten Bäume weg, weil wir Deiche, Straßen etc. “bräuchten” und als ob diese Maßnahmen die Probleme lösen würden. Das Hochwasser wird sich einen anderen Weg suchen, der Verkehr wird mehr und die Luft schlechter werden, denn auf breiten, neuen Straßen fährt es sich besser.

Kurz: Mit unserer momentanen Art der Problemlösung schaffen wir uns ständig neue.

Man könnte fast meinen, dass dies das Ziel der Handelnden ist, denn so kann man zumindest noch eine Weile die Wirtschaft am Laufen halten. Doch ein zunehmender Teil der Bevölkerung ist an einem Punkt angekommen, wo sie dieses Spiel nicht mehr mitmacht und ein neues, mutigeres Denken einfordert. Die Natur ist unser Freund, nicht unser Feind, der angeblich unserem Wohl im Wege steht. Wenn wir beginnen, die Natur als Freund zu sehen und anfangen mit ihr eine Partnerschaft zu pflegen, dann werden wir eine wunderbare Vision haben.

Hier der Leserbrief, wie er vom Reichenhaller Tagblatt gekürzt veröffentlicht wurde:

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